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Der Flüsterer von Andreas Franz & Daniel Holbe


© Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG

Während in Frankfurt, wo Julia Durant inzwischen als Mordkommissarin arbeitet, die Leiche einer jungen Dame entdeckt wird, findet man quasi zur gleichen Zeit ihren ermordeten Exmann Stefan in München. Nach der Beerdigung erhält die Ermittlerin immer wieder Botschaften, die auf Stefan als Verfasser schließen lassen. Doch wie ist das möglich?

Als immer mehr Menschen ermordet werden, die in irgendeiner Weise in Beziehung zu Julia Durant stehen, wechseln die Autoren Andreas Franz und Daniel Holbe grundsätzlich zwischen den Ermittlungsversuchen der Kriminalpolizei und den Gedankengängen des Mörders. Diesem werden zwar insgesamt weniger Passagen, aber dafür umso wirkungsvollere und eindringlichere eingeräumt. Ein hervorstechendes Merkmal besteht darin, dass sich der Mörder immer wieder mit einer Stimme zu Wort meldet, die einem Flüstern gleicht. Nachdem Stefan eine Kehlkopfoperation hinter sich gehabt hatte, ist nicht auszuschließen, dass die Botschaften von ihm kommen. Das Ermittlungsteam und somit auch die Leser müssen sich fragen, ob Stefan seinen Tod in Wirklichkeit nur fingiert hat.

Franz und Holbe arbeiten viel mit Bildsprache, so dass sie den Mörder beispielsweise bei nahezu jeder Gelegenheit Kirschen platzieren lassen, was auf den früheren Kosenamen Julias, den Stefan ihr gegeben hatte, nämlich „Chérie“, hindeuten soll. Aber ein absolutes Meisterwerk gelingt den Autoren bei der Sprachwahl des Mörders. Denn während dieser bei seinen kürzeren Aufforderungen viele Wiederholungen benutzt, was die Intensität seiner Forderungen steigert, sind seine längeren Monologe zum Großteil sehr parataktisch und oftmals auch elliptisch gestaltet. Das, was geäußert wird, übt somit große Wirkung auf Durant und ihr Team aus. Die Ellipsen scheinen gleichzeitig jedoch anzuzeigen, dass die Mordkommission noch vor einem großen Puzzle steht, welches es zu lösen gilt. Passend dazu lassen Franz und Holbe Julia und die anderen Ermittler oft in Metaphern denken, die wiederum darauf hinweisen, dass ihnen die Lösung des Falls noch verschlossen bleibt.

Als ein wichtiges Element fokussieren die Autoren die potentiellen Gefahren, die die digitalen Möglichkeiten der heutigen Zeit bergen können. Deshalb lässt der Mörder Julia zunächst konsequent Kassetten mit seinen Nachrichten zukommen, deren Urheber sich nur schwer zurückverfolgen lässt. Im Gegenzug dazu ist Julia Durant als bislang erfolgreiche Kommissarin überall in den Medien und digitalen Netzwerken zu finden, was auch Außenstehenden Zugriff auf einige Daten gewährt. Hier treffen auch Vergangenheit und Gegenwart aufeinander. Denn die Ereignisse erinnern die Kommissarin an ein schreckliches Erlebnis, mit welchem sie sich selbst vor langer Zeit konfrontiert sah. Dies führt unter anderem dazu, dass auch Albträume nicht ausbleiben. Gleichzeitig muss sie sich mit Stefan auseinandersetzen, mit dem sie schon seit Langem abgeschlossen hatte. So entsteht die Frage, ob Menschen sich überhaupt vollkommen von ihrer Vergangenheit lösen können oder ob nicht immer ein Rest davon in einem verankert bleibt. Weitere Motive, die eine Rolle spielen, sind beispielsweise in den Wohnverhältnissen verschiedener Personengruppen sowie deren Armut oder Reichtum zu finden. Und nicht nur die Wohnhäuser oder einzelne Wohnungen werden auf diese Weise beschrieben, sondern auch einzelne Viertel oder Gegenden. Obwohl diese Beschreibungen durchaus auffallen, bleibt letztendlich unklar, inwiefern diese die Problematik des Falls unterstützen. Gleiches gilt für die hier gestellte Frage, wie weit Kindern Grenzen gesetzt werden sollten oder ihnen genügend Freiraum gelassen werden sollte. Denn auch die Tochter einer Ermittlerin bleibt nicht vollkommen verschont von den Machenschaften des Mörders. Eindeutiger verhält es sich jedoch mit der Überlegung, wie wir unser Umfeld und insbesondere unsere Freunde bewerten. Denn letztlich ist Julia Durant dazu gezwungen, eine Liste zu verfassen, die den Menschen aus ihrem sozialen Umfeld eine Ranglistung abverlangt. Doch schnell wird klar, dass es nicht immer so leicht ist mit einer genauen Positionierung anderer Menschen, die eine Rolle im eigenen Leben spielen. Eine untergeordnete, aber zumindest gelegentlich angesprochene Rolle im Roman, kommen der Prostitution und dem Sexualverhalten zu.

Insgesamt bieten die Autoren ein hohes Maß an Spannung für die Leser und Leserinnen. Der Kriminalroman ist so angelegt, dass man durch eine ausgezeichnete Kombinationsgabe der Lösung näherkommen könnte. Jedoch muss dann auch erkannt werden, inwiefern mehrere voneinander scheinbar völlig unabhängige Faktoren zusammenpassen. Franz und Holbe verdienen aber ganz besonders Anerkennung für ihre Kunst, sprachliche Mittel gezielt einzusetzen und die jeweiligen Personen typisch damit auszustatten.


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