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Interview mit AVG Geschäftsführer Dieter Gerlach

Viele reden darüber, wir tun was! Seit der Fukushima-Katastrophe im März 2011 ist der Wandel zu erneuerbaren Energien ein gern diskutiertes Thema. Es ist schön zu sehen, dass auch unsere Region, Aschaffenburg und Umgebung sich an diesem Thema aktiv beteiligt und auch Taten sprechen lässt: Viele Projekte wie z.B. das Biomassenkraftwerk sowie der Bau von Photovoltaik-Anlagen wurden bereits auf die Beine gestellt. Projekte wie die Windkraftnutzung sind allerdings noch in Planung. Mittendrin sprach Redakteur Karol Majewski mit dem AVG Geschäftsführer Dieter Gerlach über die Projekte der Stadtwerke Aschaffenburg, insbesondere über das Projekt „Windkraft im Spessart“ sowie über die nötige Einstellung jedes einzelnen Bürgers in der regionalen Energiewende. Gerlach glaubt unerschütterlich an die Aschaffenburger und ihre aktive Gestaltung der Energiewende.

Die Aschaffenburger Versorgungs-GmbH (AVG) hält unsere charmante Stadt am Laufen und sorgt verstärkt für unsere Zukunft. Doch leider wissen nicht alle was die AVG auf die Beine stellt, damit Aschaffenburg eine so gut funktionierende Stadt bleibt. Herr Gerlach, welche Aufgaben übernimmt die AVG?

Die meisten Bürger denken nicht in Organisationskategorien, sondern in der Kategorie von Produkten, die sie selbst betreffen. So sind wir in all seinen Lebenslagen in Kontakt mit dem Bürger. Das geht bei der Strom-, Gas-, Wasser- sowie Wärmeversorgung los und geht weiter im Bereich Mobilität: Wir bauen und betreuen Projekte im Stadtgebiet, sind unter anderem der größte Parkhausbetreiber und verantwortlich für die Mobilität der Menschen im öffentlichen Personennahverkehr. Da spreche ich allerdings nicht nur von der AVG, sondern von dem ganzen Unternehmensverbund der AVG, SVG, Bioenergie etc. der von den Bürgern als Einheit wahrgenommen wird. Wir sehen und fühlen uns auch als Einheit. Wir betreiben die Schwimmbäder, die Frei- und Hallenbäder sowie die Eissporthalle. Des Weiteren kümmern wir uns um die Instandhaltung dieser Gebäude, die allgemeine Abfallentsorgung sowie die Straßenreinigung. Allerdings sind wir auch überregional aktiv und engagiert, so sind wir an der Süd-West-Strom GmbH in Tübingen beteiligt, dort organisieren wir den kompletten Energieeinkauf, weil wir die Bürger dieser Region mit preiswerter Energie versorgen möchten. An der Energieallianz Bayern sind wir ebenso beteiligt, weil wir uns gemeinsam mit weiteren 30 Stadtwerken aufgemacht haben die Energiewende aktiv zu gestalten. Man kann einen großen Windpark nicht alleine als AVG kaufen, das funktioniert nur gemeinsam mit anderen Partnern: So sind wir auf der einen Hand vielseitig in der Region tätig, auf der anderen Hand sind wir bayern und bundesweit gut vernetzt.

Auf welche Projekte sind Sie besonders stolz?

Zwei Aspekte haben bei uns höchste Priorität: Das ist einerseits die aktive Gestaltung der Energiewende in der Region. Hier haben wir mit Ausnahme der Windenergie planmäßig alles umgesetzt was wir uns gemeinsam vorgenommen haben: Wir haben Photovoltaik-Anlagen gebaut und jedes geeignete, städtische Dach sowie freie Grundstück mit selbigen belegt. Des Weiteren haben wir das Biomassepotential der Region vielseitig in Biomassekraftwerken genutzt: Hier werden Holzhackschnitzel aus den Wäldern und Landschaftspflegeholz energetisch verwendet. Wir haben gemeinsam mit dem Landkreis eine Biomethangas-Vergärung gebaut, wo der Bioabfall, welcher in den Tonnen eingesammelt wird, letztendlich in Ökoenergie umgewandelt wird. All unsere Ressourcen haben wir für die Energiewende genutzt. Allerdings sind wir in unserer Region noch nicht weit in der Windenergienutzung gekommen. Das hat bei uns momentan starken Focus. Ein zweiter Aspekt in dem wir uns mächtig engagiert haben, ist der Bereich der öffentlichen Mobilität. Wir haben zusammen mit Privatinvestoren sowie der Bahn den Südbahnhof zu einer echten Mobilitätsdrehscheibe ausgebaut. Nun haben wir einen modernen angebundenen Bahnhof, der den Busverkehr mit dem überregionalen Schienenverkehr perfekt vernetzt. Ein zum Teil für Pendler reserviertes Parkhaus ist ebenso angeschlossen. Dieser Aspekt ist für die Energiewende ebenso sehr wichtig, denn Mobilität verbraucht viel Energie. So müssen wir den Bürgern unserer Region eine komfortable Alternative anbieten. Dieser Komfort ist eine ganz wichtige Voraussetzung für den Umstieg des Autofahrers auf öffentliche Verkehrsmittel.

Was können Sie zum Projekt „Windkraft im Spessart“ sagen?

Wir bemühen uns seit Ende der 90er Jahre im Spessart Windkraft-Potentiale zu erschließen. Am Anfang sehr unbeliebt, war vor der Fukushima-Katastrophe kaum ein Sympathisant zu finden. Nach der Katastrophe hat sich das drastisch geändert: Nicht nur einzelne Bürger, sondern ganze Gemeinden standen dem Thema nun offen gegenüber. Wir haben hier allerdings einen Grundsatzkonflikt: Der meiste Wind weht auf den Spessarthöhen, gleichzeitig sind nahezu alle Spessarthöhen im Landschaftsschutzgebiet. Es gibt ein Lager, das sagt der Spessart soll frei von der Windkraftnutzung bleiben und das andere Lager sagt, wenn wir die Windkraft nutzen wollen, dann können es nur die Spessarthöhen sein. Dieser Konflikt muss nun aufgelöst werden. Ich sage nicht, dass überall dort wo sich ein Windrad drehen könnte, sich auch eins drehen sollte. Aber die Energieversorgung gehört zu den wesentlichen Grundbedingungen einer vernünftigen Infrastruktur einer rohstoffarmen Industriegesellschaft. Wenn wir akzeptieren, dass die erneuerbaren Energien unsere Zukunft sind, dann müssen wir verstehen, dass wir auf Windkraft nicht verzichten können. So muss man bereit sein an 4 oder 5 geeigneten, gezielten Standorten im Spessart den Bau von Windrädern zuzulassen. […] Die Frage ist hier: Was ist der Wille der Mehrheit? So hat die Mehrheit unserer Bürger bundesweit zur Kenntnis gegeben: Wir wollen weg von der Atomkraft hin zu den erneuerbaren Energien. So sollten wir nicht nur darüber reden, sondern auch handeln, ganz konkret und auch im Spessart!

Wann sehen Sie die nächsten Fortschritte in diesem Energiewandel, besonders im Spessart?

Ich bin Optimist. Ich bin mir sicher bereits in diesem Jahr wird hier viel passieren. Die Stimmung der Bürger beginnt sich zu ändern: Sie merken, dass man nicht nur darüber diskutieren kann, sondern auch handeln muss.

Inwiefern kann man bei dieser Energiewende naturfreundlich und vor allem harmonisch mit dem Bund Naturschutz zusammenarbeiten?

Das ist Gott sei Dank keine Herausforderung. Wir haben mit dem Bund Naturschutz und weiteren Naturschutzverbänden viel gesprochen und diskutiert. Im Endeffekt haben wir eine gemeinsame Auffassung: Ja, Windkraftnutzung sollte auch im Landschaftsschutzgebiet möglich sein. Allerdings sind wir gemeinsam der Meinung, dass die sensiblen Biotope ausgenommen sein sollen. Momentan scheitern wir allerdings an den planungsrechtlichen Voraussetzungen.

Wie sehen Sie die Energiewirtschaft der Stadt Aschaffenburg? Was sind unsere momentanen Stärken und wo können wir uns gemeinsam als Stadt verbessern?

Unsere Stärke ist, dass wir uns selbst um die Energiewirtschaft in unserer Stadt kümmern. Die Energieversorgung ist unsere Möglichkeit direkten Einfluss zu nehmen auf die Gestaltung unserer Lebensgrundlagen und unserer Infrastruktur. Das ist heute ein großer Vorteil, weil wir bereits über die Werkzeuge zur Energiewende verfügen: Wir verfügen über das Netz, wir haben einen leistungsfähigen Energiehandel, wir haben eine sehr treue und sehr positiv eingestimmte Kundschaft. Damit öffnen sich neue Gestaltungsmöglichkeiten. Das sollte man nicht als selbstverständlich hinnehmen. Negativ zu sehen ist der große bundespolitische Rahmen: Wenn wir heute in die Energiewende investieren, wissen wir nicht ob der Staat morgen die gleichen Rahmenbedingungen stellt. Wenn der Gesetzgeber keine einheitliche Linie fährt, ist die Energiewende auf regionaler Ebene schwierig. Das ist ein echtes Problem. Das muss sich ändern. Für diese langfristige Energiewende muss ein Masterplan her: Konsequent, zeitlich und finanziell geplant und durchgeführt. Es gibt auch noch ein paar ungelöste technische Fragen: Wie speichert man die gewonnene Energie? Hier liegt Forschungs- und Entwicklungsbedarf.

Was kann der einzelne Bürger für eine saubere Zukunft tun?

Der einzelne Bürger muss sich mit seinen persönlichen Energieverhältnissen auseinandersetzen. Die geringe Bürgerzahl bei unserer Energieberatung ist allerdings ein starkes Indiz dafür, wie wenig sich der Einzelne mit seinem persönlichen Energiehaushalt auseinandergesetzt. Hier muss mehr passieren und wir alle sind hier gefordert: Der Bürger, der Energieanbieter sowie Natur- und Verbraucherschutzverbände. Dabei muss alles positiv besetzt sein: Es sollte ein Motivationsruck durch die Gesellschaft gehen. Man sollte sich fast schämen müssen, wenn man nicht auf dem richtigen Wissensniveau über die Energiewende reden kann. Wenn wir das geschafft haben, dann haben wir den Damm gebrochen.

Glauben Sie daran, dass der Energiewandel funktionieren wird; dass es rechtzeitig Klick macht bei den Bürgern unserer Region?

Absolut. Ich bin jetzt fast 30 Jahre hier in der Stadt. Ich hab immer das Vergnügen gehabt, in einem Tätigkeitsbereich zu arbeiten, der im öffentlichen Brennpunkt stand. Angefangen 1985 mit der Gewässer und Luftverschmutzung als Topthema: In die Aschaff lief das ganze Abwasser der PWA; der ganze Stadtteil Damm hat gestunken. Wir hatten ein Kraftwerk im Hafen, das hat im Jahr 5000 Tonnen Schwefel ausgestoßen und über der Region abgeregnet. In dieser Zeit hat sich niemand vorstellen können, dass die Umweltstandards in Deutschland und auch Aschaffenburg sich in so kurzer Zeit auf ein so hohes Niveau heben lassen. Heute haben wir sauberes Wasser, saubere Luft und völlig geordnete Umweltverhältnisse. Ich hab die Aschaffenburger in dieser Zeit als eine Einheit erlebt: Bürgerschaft, Politik und Verwaltung haben gemeinsam an einem Strang gezogen. Wenn wir etwas wollten, dann haben wir das auch hingekriegt. In den 90er Jahren war ich in der Abfallwirtschaft tätig: Da hatten wir in Aschaffenburg einen Müllnotstand. Im Jahr verursachten wir über 70 000 Tonnen Müll und wussten nicht wohin damit. Politik, Bürgerschaft und Verwaltung entwickelte ein stramm funktionierendes Konzept, sodass wir heute nur noch 11 000 Tonnen Müll verursachen und diesen sogar noch energetisch und wirtschaftlich verwerten können. Das hat Millionen gekostet, jedem auch etwas abverlangt, aber alle haben an einem Strang gezogen und so ist es gelungen. Heute ist die Energiewende das Topthema. Die Aschaffenburger sehen, dass es ein zukunftsträchtiges Thema ist, dem sie sich stellen müssen. Da wir nicht nur gekleckert, da wird bei Bedarf auch geklotzt: Wir bauen unsere Zukunft und gestalten die Aschaffenburger Energiewende selber, mit den Politikern, den Bürgern und den Verbänden. Da ist mir absolut nicht bange, dass wir das nicht hinkriegen könnten. Hier ist der Optimismus absolut gerechtfertigt.


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