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Günter Grass: Beim Häuten der Zwiebel

Eine fesselnde Autobiografie über Kindheit und Jugend des Dichters in Kriegs- und Nachkriegsjahren

Im April 2015 ist der große deutsche Dichter und Literaturnobelpreisträger Günter Grass im Alter von 87 Jahren gestorben. Und im Mai dieses Jahres hat sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 70-mal gejährt. Grund genug, sich die 2006 erschienene Autobiographie Günter Grass‘ „Beim Häuten der Zwiebel“ näher anzuschauen. In diesem rund 500 Seiten langen Bestseller beschreibt der 1927 in Danzig geborene Schriftsteller seine Kindheit und Jugend sowie sein Schicksal im Krieg und in der Nachkriegszeit bis zum Erscheinen seines Erfolgsromans „Die Blechtrommel“ im Jahr 1959. Das fesselnde, unterhaltsame und an Geschichten und Anekdoten reiche „Häuten der Zwiebel“ führt uns zurück in schwere Zeiten, die noch gar nicht so lange her sind. Die aber vollkommen gegensätzlich zu unser heutigen von Wohlstand geprägten Gesellschaft sind. Vor allem erschließt sich in dieser schonungslos ehrlichen Autobiographie auch der Mensch Günter Grass und es wird deutlich, dass hinter dem mitunter bei seinen Auftritten als barsch empfundenen Dichter ein Mensch mit einem weichen Kern gesteckt hat. Ein Buch nicht nur, aber besonders auch für literarisch Interessierte, dessen Lektüre Spaß macht.

Skandal kaum ein Thema

Beim Erscheinen hatte das Buch für einen Skandal gesorgt, weil Grass in diesem erstmals öffentlich seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg bekannte. Doch darum geht es in der Autobiographie nicht, dies ist dort allenfalls ein Randthema. Geschildert wird das Aufwachsen eines kunstinteressierten Jungen, dessen Eltern in Danzig ein Kolonialwarenladen hatten und dem zum Beispiel das mit mehreren Parteien im Mietshaus geteilte Außenklo auf der Zwischenetage zuwider war. Viel Persönliches und etliche schöne Anekdoten also. Dieser noch unreife Junge meldete sich dann im Alter von 15 Jahren – wie dumm, möchte man meinen – freiwillig als U-Boot-Rekrut. Allerdings bestand bei den U-Booten keinen Bedarf. So kam dann schließlich der Einberufungsbescheid zur Waffen-SS. Die Mutter weigerte sich, den Sohn zur Bahn zu begleiten und sagte: „Wenn Du mir bloß heil zurückkommst.“

Extrem viel Glück gehabt

In den letzten Kriegsmonaten hatte der junge Grass dann in vielen Situationen extrem viel Glück. So überlebte er u.a. zum Beispiel weil er nicht Radfahren und bei einem Ausbruchversuch mit Rädern deshalb nicht mitmachen konnte. Als er hinter die Linien geraten war, sang er „Hänschen klein ging allein …“, um zu erkennen, ob sein unbekannter Gegenüber auch ein Deutscher ist. Zum Glück kam bald die Antwort: „ … in die weite Welt hinein“. Beim Überleben in dieser dunklen Zeit half ihm ein erfahrener Obergefreiter, der schließlich schwer verletzt wurde. Grass wurde in den letzten Kriegstagen nur leicht verletzt und erlebte das Ende des Kriegs im Lazarett.

Der dritte Hunger

Nach dem Krieg kam Grass in mehrere amerikanische Gefangenenlanger. Dort machte er einen Kochkurs bei einem gefangenen Meisterkoch. Auch lernte er, wenn die Anekdote stimmt, seinen Kumpel Joseph aus Bayern kennen, der früher ebenfalls Messdiener gewesen war, und dann später Papst wurde. Die Winter waren nach dem Krieg kalt, viele und auch Grass‘ Familie waren Vertriebene und es gab nicht genug zu essen. Doch gesellte sich bei Grass neben dem ersten Hunger, dem nach genügend zu essen, und dem zweiten Hunger, dem nach dem Weibe, auch ein dritter Hunger: Dem nach der Kunst. So begann er 1948 in Düsseldorf ein Studium der Grafik und Bildhauerei und wurde dann später zum sehr erfolgreichen Dichter.

In seiner Autobiographie beschreibt Grass zudem die Lust aufs Leben der damaligen Jugend, die diesen schlimmen Krieg erlebt hatte. Schwarzmarktzeiten, Leben in Wohnheimen, durchtanzte Nächte bis hin zu einem Auftritt mit Jazz-Legende Louis „Satchmo“ Amstrong im Düsseldorfer Club. Ein Buch voller Überraschungen. Am besten selbst einmal lesen. (wrü) // Foto: (C) dtv – Deutscher Taschenbuch Verlag


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