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100 Jahre Insulin: So wird das lebenswichtige Medikament hergestellt

Diabetes gilt als Volkskrankheit. Etwa 8,5 Millionen Menschen in Deutschland und 420 Millionen Menschen weltweit leiden an Diabetes. Viele der Betroffenen müssen sich mehrmals am Tag Insulin spritzen, da ihre eigene Bauchspeicheldrüse das für den Zuckerstoffwechsel notwendige Hormon nicht ausreichend produziert. Aber wie wird das überlebenswichtige Medikament eigentlich hergestellt? Wer sich mit der Herstellung von Insulin befasst, geht auf eine Zeitreise durch die Medizingeschichte des 20. Jahrhunderts – von den ersten aus Schlachttieren gewonnenen Präparaten hin zu modernen gentechnisch produzierten Insulinen.

Eine kurze Geschichte des Insulins

Den Grundstein für die Herstellung von Insulin legte die Entdeckung der Bauchspeicheldrüsenfunktion durch eine kanadische Forschergruppe Anfang der 1920er-Jahre. Das Team um Frederick Banting und Charles Herbert Best isolierte das Hormon aus der Bauchspeicheldrüse von Tieren und verabreichte es Diabetespatienten. Damit stand erstmals eine wirksame Therapie für die bislang tödliche Krankheit zur Verfügung.

Die ersten Insulinpräparate

Bereits 1922 kam in den USA das erste Insulinpräparat auf den Markt und ein Jahr später war das Medikament auch in Deutschland erhältlich. Gewonnen wurde das Insulin in großem Stil aus den Bauchspeicheldrüsen geschlachteter Rinder und Schweine. Die Ausbeute war bei diesem Verfahren allerdings gering, weshalb man allein für die Jahresration eines einzelnen Diabetikers etwa 50 Schweine benötigte. Aus ethischen und wirtschaftlichen Gründen suchte die Forschung daher seit den 1970er-Jahren nach einer Alternative zu tierischem Insulin.

Einzug der Gentechnik – ein Quantensprung in der Insulinherstellung

Die Voraussetzungen für die Entwicklung moderner Insuline schaffte Anfang der 1980er-Jahre die Gentechnik. Mit dieser Technologie war es nun möglich, synthetisches Insulin zu produzieren, dessen chemische Struktur mit der des menschlichen Insulins identisch war. Mit der Markteinführung des sogenannten Humaninsulins kam im Jahr 1982 das erste gentechnisch hergestellte Medikament überhaupt in den Handel. Bis heute ist das Herstellungsprinzip gleich geblieben: Das Insulin wird mittels gentechnisch veränderter Mikroorganismen gewonnen. Der aufwendige Produktionsprozess findet in riesigen, mehrere zehntausend Liter fassenden Fermentiertanks statt, in denen Milliarden von Mikroorganismen unter streng kontrollierten Bedingungen heranwachsen. Von den ersten Bakterienkulturen bis zum fertigen Medikament dauert der über 130 Einzelschritte umfassende Herstellungsvorgang fast ein Jahr.

Insulin aus Darmbakterien

Ein Verfahren zur Insulinherstellung nutzt gentechnisch modifizierte Escherichia-coli-Bakterien. In das Erbgut dieser normalerweise im Darm vorkommenden Bakterien werden Gene eingebaut, die im menschlichen Körper für die Produktion von Insulin zuständig sind. Die Mikroorganismen vermehren sich in einer speziellen Nährlösung und bilden dabei eine Vorstufe des Insulins. Im nächsten Schritt wird die Substanz aus den Bakterien isoliert, gereinigt und mittels eines Enzymprozesses in seine aktive Form umgewandelt. Kristallisiert und gefriergetrocknet lässt sich das Insulin bis zur Weiterverarbeitung lagern. Vermischt mit steriler Flüssigkeit, Stabilisatoren und Konservierungsmitteln, die das Insulin haltbar machen, wird das Medikament schließlich in Ampullen und Fertigpens abgefüllt.

Hefezellen als kleine Insulinfabriken

Neben Bakterien lassen sich Hefezellen zur Insulingewinnung nutzen. Hierbei kommt die Hefe Saccharomyces cerevisiae zum Einsatz, die auch zum Backen und Bierbrauen verwendet wird. Für die Insulinherstellung wird menschliche Erbsubstanz in die Hefezellen eingeschleust. In einer Flüssigkeit, die alle notwendigen Nährstoffe wie Zucker, Vitamine und Salze enthält, wachsen die Hefekulturen und geben dabei eine Insulinvorstufe ab. Dieser Stoff wird aus dem Nährmedium herausgefiltert, gereinigt und in die gewünschte Formulierung gebracht.

Mit Insulinanaloga in die Zukunft

Eine Weiterentwicklung der Humaninsuline sind die sogenannten Insulinanaloga. Ihren Namen tragen sie, weil es sich genau genommen nicht um Insulin handelt, sondern um insulinähnliche Stoffe. Für diese Präparate wird die Anordnung der Aminosäuren in dem von Mikroorganismen gebildeten Insulin so verändert, dass sich unterschiedliche Wirkprofile ergeben. Damit stehen Insuline zur Verfügung, die schnell und kurz wirken, während andere den Blutzucker langsam über einen längeren Zeitraum senken. Durch eine Kombination dieser verschiedenen Varianten lässt sich die Insulinausschüttung gesunder Menschen nachahmen. Inzwischen arbeitet die Wissenschaft zudem an Smart-Insulinen, die ihren Wirkstoff abhängig von der Blutzuckerkonzentration freisetzen, sowie an Insulinen aus gentechnisch modifizierten Pflanzen. Die Zukunft der Insulinherstellung bleibt also weiterhin spannend.


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