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Interview: Förderverein TelefonSeelsorge Untermain e. V. - Bernd Domdey und Christiane Knobling im Gespräch

Krieg in der Ukraine und in Nahost, fast unbezahlbare Lebenshaltungskosten, Abwanderungen von namhaften deutschen Firmen ins Ausland und damit verbundene Entlassungen. Kaum ein Tag vergeht mit negativen Schlagzeilen in den Medien. Immer mehr Menschen haben Sorge und Probleme. Oft sind es die Menschen, die ohnehin alleine sind und niemanden haben. Hier soll der FTSU – Förderverein TelefonSeelsorge Untermain e. V. helfen. Der 2022 gegründete und gemeinnützig anerkannte Verein mit Sitz in Aschaffenburg unterstützt die Ökumenische Telefonseelsorge Untermain, die sich den Problemen aller Altersgruppen annimmt und Hilfestellung gibt.

Im Gespräch erzählen uns der Vorsitzende des Vereins Bernd Domdey, welcher bis zu seiner Pensionierung als Leiter des Personalbereichs in einem Maschinenbauunternehmen tätig war und die Initiative zur Gründung des Fördervereins ergriff, sowie Christiane Knobling, welche seit September 1997 die Leiterin der Ökumenischen Telefonseelsorge Untermain ist, mehr über die Tätigkeiten des Vereins.


Bernd Domdey (Vorsitzender), Martina Eisert (2. Vorsitzende), Elvira Kiss (Schriftführerin) und Klaus Michelchen (Schatzmeister)

Wann wurde der Förderverein TelefonSeelsorge Untermain gegründet?

Bernd Domdey: Der Förderverein wurde im Oktober 2022 gegründet und im Dezember 2022 vom Finanzamt Aschaffenburg als gemeinnützig anerkannt.

Ging der Gründung ein besonderer Grund oder Ereignis voraus?

Bernd Domdey: Der Förderverein wurde gegründet mit dem Ziel das Angebot der TelefonSeelsorge Untermain, die ja vollkommen anonym arbeitet, in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Wir unterstützen die ehrenamtlichen Mitarbeitenden in ihrer sehr anspruchsvollen und belastenden Tätigkeit finanziell und materiell und möchten diese wertvolle Aufgabe für die Zukunft sichern. Die Kosten für Aus- und Fortbildungskurse, Supervisionen und technische Ausstattung sind in den letzten Jahren immens angestiegen, so dass weitere Unterstützung zusätzlich zu den Leistungen der beiden kirchlichen Träger notwendig wurde.

Wie finanziert sich der Verein?

Bernd Domdey: Unser Förderverein finanziert sich ausschließlich über Spenden und Mitgliedsbeiträge. Deshalb ist es für uns sehr wichtig, in einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu werden, um möglichst viele Gelder sammeln zu können.

Wie kann man Ihren Verein unterstützen?

Bernd Domdey: Wir sind für jede Spende dankbar, egal in welcher Höhe. Jeder Betrag ist willkommen und hilft.

Über neue Mitglieder, die sich in unserem Förderverein engagieren möchten, freuen wir uns sehr. Jede helfende Hand wird benötigt und neue Ideen sind gefragt, um unseren Verein bei Veranstaltungen und Aktionen zu unterstützen. Am 8. März fand z. B. die kabarettistische Lesung ALLTAGSDRAMEN mit Susanne Hasenstab und ihrem Bühnenpartner Emil Emaille im Martinushaus in Kooperation mit Martinusforum e.V. statt. Weitere Veranstaltungen für 2024 sind in der Planung.


Christiane Knobling (Leiterin Ökumenische Telefonseelsorge Untermain)

Welche Menschen und wie viele melden sich bei der Telefonseelsorge Untermain?

Christiane Knobling: Es wurden im Jahr 2023 insgesamt 12.149 Anrufe angenommen und 351 Chatberatungen durchgeführt. Wie in den Jahren zuvor konnten am Telefon in der Mehrzahl Menschen „in der zweiten Lebenshälfte“ erreicht werden. Bei jüngeren Anrufenden ist die Beratung im Chat eher beliebt. 351 Chatberatungen wurden von 5 speziell geschulten Mitarbeitenden durchgeführt.

Welche Möglichkeiten gibt es zur Kontaktaufnahme?

Christiane Knobling: Die TelefonSeelsorge Untermain bietet Beratung am Telefon und im Chat an.

Was sind die häufigsten Gründe / Themen für einen Anruf?

Christiane Knobling: Die Anrufenden berichten am häufigsten über Einsamkeit, Depressionen, Belastungen in der Familie und Zukunftsängste wegen der Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen, haben aber auch ganz alltägliche Sorgen: Wie kann ich bei immer teurer werdendem Lebensunterhalt meine Wohnung, Heizung und Nahrung finanzieren?

Anrufe mit suizidaler Thematik waren mit 7 % so hoch wie im Vorjahr. Dies bedeutet im Durchschnitt zwei Anrufe am Tag mit Suizidgedanken oder -absichten. Bei den jüngeren Erwachsenen liegt hier der Anteil mit 29 % im Schnitt erheblich höher.

Der Anruf erfolgt über eine Hotline. Wie wird hier die Besetzung rund um die Uhr realisiert?

Christiane Knobling: Die Hotline garantiert, dass die Anrufe und Chats für die User kostenfrei und anonym sind. Es gibt feste Zeiten, zu denen die Ehrenamtlichen am Tag und in der Nacht zur Telefonseelsorge-Stelle kommen.

Wie lange dauert ein Gespräch im Durchschnitt?

Christiane Knobling: Ein Gespräch dauert im Durchschnitt ca. 30 bis 45 Minuten.

Arbeiten bei Ihnen nur Ehrenamtliche?

Christiane Knobling: In der TelefonSeelsorge Untermain arbeiten ca. 65 ausschließlich ehrenamtliche Mitarbeiter, die alle 3 – 4 Wochen als Entlastungs- und Qualifizierungsmöglichkeit an einer Supervision teilnehmen. Begleitet werden sie durch mich als hauptamtliche Fachkraft und in der Supervision durch Supervisor:innen und Therapeut:innen. Die ehrenamtlich Mitarbeitenden können auch an Fortbildungen teilnehmen, zu denen ReferentInnen eingeladen werden.

Wer ist geeignet für die Telefonseelsorge?

Christiane Knobling: Die TelefonSeelsorge sucht Männer und Frauen, die

  • die Fähigkeit zur Reflexion besitzen
  • belastbar und psychisch stabil sind
  • gerne mit anderen Menschen reden und arbeiten
  • Zeit haben und für einen Teil ihrer freien Zeit eine sinnvolle Tätigkeit für mindestens 4 Jahre suchen
  • sich gerne auf Neues einlassen

Welcher Zeitaufwand fällt für die ehrenamtlichen Mitarbeiter an?

Christiane Knobling: Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten 12 Stunden pro Monat am Telefon. Sie nehmen regelmäßig an zweistündigen Supervisionen teil. Der Zeitaufwand beträgt 12 Stunden im Monat und 2 Stunden Supervision – zuzüglich der Fahrzeiten zur Telefonseelsorge-Stelle und zurück.

Wie läuft ein klassischer Arbeitstag bei Ihnen ab?

Christiane Knobling: Der Mitarbeitende kommt zur Telefonseelsorge-Stelle und telefoniert oder chattet alleine in einem Raum: am Tag vier Stunden und in der Nacht neun Stunden. Nach den Anrufen oder Chatberatungen nehmen sie sich Zeit das Gespräch/den Chat zu reflektieren – so dass sie damit innerlich abschließen können, um dann wieder für den anderen Menschen am Telefon oder Chat da sein zu können.

Wie helfen Sie den Menschen am Telefon weiter?

Christiane Knobling: Den meisten Anrufenden/Chattenden hilft es reden oder schreiben zu können und auf Menschen zu treffen, die sie in ihrer Situation ernst nehmen, für sie da sind und Zeit haben. Es ist für viele entlastend sich ausdrücken zu können. Wenn der/die Anrufende/Chattende das wünschen, schauen die Mitarbeitenden mit ihnen nach dem nächsten Schritt. Das kann ein Gespräch mit dem Konfliktpartner sein, häufig ist es das Finden von Ressourcen, die in der schwierigen Situation hilfreich sind. Die Mitarbeitenden verweisen auch auf Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen am Untermain.

Wie leicht oder schwer fällt es Ihnen, Ihr Privatleben zu trennen?

Christiane Knobling: In der einjährigen Ausbildung lernen die Mitarbeitenden, wie sie Gehörtes und Gelesenes „an der Telefonseelsorge-Stelle lassen“ können. Wenn sie ein Anruf sehr beschäftigt, können sie mit der Ablösung sprechen, die Supervision zur Entlastung nutzen, oder mit der Leiterin telefonieren.

Was ist für Sie das schlimmste Ereignis mit dem Sie konfrontiert wurden?

Christiane Knobling: Das ist nicht so einfach zu beantworten. Vor kurzen habe ich mit einem Mann telefoniert, der sagte, dass er sich auf jeden Fall umbringen wird, aber noch mal mit jemanden reden will. Es wurde deutlich, dass er eigentlich nicht sterben will, aber so, wie sein Leben jetzt ist nicht leben will. Es war schwierig zu ihm durchzudringen, weil er in einer Gedankenschleife war. Ich merkte mit der Zeit, dass er etwas ruhiger wurde. Als wir nach etwa einer Stunde auflegten, wusste ich nicht wie er sich entscheiden würde. Ein paar Tage später hat er noch einmal angerufen, dass er jetzt erst mal versucht, weiter zu leben und sich Hilfe zu holen. Er hat versprochen wieder anzurufen, wenn wieder Suizidgedanken kommen. Das war eine schöne und erleichternde Rückmeldung.

Was lernen Sie in den regelmäßigen Weiter- und Fortbildungen an welchen Sie teilnehmen?

Christiane Knobling: In diesem Jahr geht es bei den Fortbildungen im Frühjahr um das Schutzkonzept der Telefonseelsorge Untermain und dabei um die Erlaubnis eigene Grenzen zu spüren und zu setzen – gegenüber Ratsuchenden, aber auch in der Arbeitsgemeinschaft mit 75 Menschen. In den nächsten Tagen beginnt eine Weiterbildung zum Chatberater. Ende Februar beschäftigen sich die Mitarbeitenden in der Weiterbildung mit dem Gefühl Scham und wie sie am Telefon damit umgehen können. Im März reflektieren sie, wie am Telefon Manipulation und Machtausübung geschehen kann, um den Ratsuchenden Grenzen zu setzen und die eigenen Momente von Machtausübung und Manipulation kennen zu lernen. Die beiden zuletzt dargestellten Weiterbildungen finden gemeinsam mit ehrenamtlich Mitarbeitenden anderer Telefonseelsorge-Stellen statt.

Die Mitarbeitenden lernen in den Fortbildungen genauer hinzusehen, Situationen im Seelsorge- und Beratungskontext zu reflektieren und sich weiter kennen zu lernen.

Lieber Herr Domdey, liebe Frau Knobling, vielen Dank für das interessante Gespräch!

Viele weiterführende Informationen, Neuigkeiten und Formulare zur Mitgliedschaft, zu Spenden oder auch zur TelefonSeelsorge sind auf der Homepage des Vereins unter www.f-tsu.de zu finden.

Spendenkonten:

Raiffeisen-Volksbank Aschaffenburg eG
IBAN: DE50 7956 2514 0007 1750 27
BIC: GENODEF1AB1

Sparkasse Aschaffenburg-Alzenau
IBAN: DE75 7955 0000 0012 8185 71
BIC: BYLADEM1ASA

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