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Interview mit Falko Bozicevic

„Birgit Schrowange ist die passende Markenbotschafterin für Adler“: Viele kennen ihn von Interviews bei vor allem n-tv oder n24 von der Börse Frankfurt. Aber die wenigsten wissen, dass Falko Bozicevic (Jahrgang 1969) in Aschaffenburg wohnt. Wir haben den Chefredakteur des Kapitalmarktmagazins „GoingPublic“ und des Anleiheportals BondGuide für ein Exklusivinterview gewonnen und ihn zu Investments und speziell den Perspektiven unserer ‚Börsenwerte vom Untermain‘ befragt.

Herr Bozicevic, seit Frühjahr 2009 tendiert der deutsche Aktienmarkt trotz zwischenzeitlicher Rückschläge per Saldo nach oben. Was erwarten Sie für 2016?

Die Frage ist stets, welchen Zeitraum Sie als Maßstab anlegen: Im Rückspiegel der vergangenen zehn Jahre ist nur noch die Halbierung 2008 zu erkennen – alles andere sind nur die üblichen Dellen. Zumindest sehe ich die Märkte 2016 nicht grundlos deutlich fallen, d.h. für solide und dividendenstarke Unternehmen sollte jeder einen Platz frei halten im Depot.

Werden im Jahr 2016 viele neue Unternehmen an den Aktienmarkt gehen und lohnt es sich für Anleger überhaupt, in Börsenneulinge zu investieren?

Zum einen war 2015 das beste Jahr für Börsengänge in Deutschland seit 2006/07 mit 15 Börsendebütanten von Hapag-Lloyd über windeln.de bis Scout24. Soweit die Statistik. Allerdings: Nein, Anleger machten mit Neuzugängen keinen guten Schnitt. Die Statistik lügt nicht: Die 2015er Debütanten liegen im Saldo im Minus, teilweise deutlicher. So gesehen kann man Anlegern nicht wirklich dazu raten, bei Neuemissionen gleich von Anfang an dabei zu sein. Erst einmal die Füße ruhig halten und schauen scheint probater.

Warum legen die Deutschen kaum Geld in zumindest langfristig lohnenswerte Aktien an: Wirkt hier das Debakel mit der Deutschen Telekom und dem Neuen Markt Anfang des Jahrtausends nach?

Absolut. Einerseits haben Märkte – mithin Anleger – ein kurzes Gedächtnis und vergessen rasch. Andererseits haben Deutsche Telekom, Infineon und Neuer Markt so tiefe Wunden hinterlassen, dass der deutsche Durchschnittsinvestor nach wie vor von Aktien nichts wissen möchte, mögen die Argumente auch noch so überzeugend sein. Dass Aktien in langfristiger Betrachtung rund 6-7% pro Jahr abwerfen – sofern man durchhält und eben im Durchschnitt –, wird ignoriert. Selbst wenn sich überhaupt keine Kursgewinne einstellen, schlägt immer noch die Dividendenrendite von rund 2,5 bis 3% zu Buche. Also erheblich mehr, als man aktuell auf Sparguthaben bekommt.

Was muss passieren, damit die breite Bevölkerung erfolgreicher und auch in Aktien investiert?

Deutschland ist Entwicklungsland in Bezug auf Kapitalmärkte. In der Politik stehen Finanz- und Kapitalmärkte aus den bekannten populistischen Gründen nicht sonderlich hoch im Kurs. Das ist ein reichlich beschämend für die weltweit fünftgrößte Wirtschaftsmacht. In der Tat, hier müsste schon in der Ausbildung mit Wissensvermittlung begonnen werden. Insgesamt ist es aber eine deutsche Mentalitätsfrage.

Sie beobachten auch Börsentitel vom Untermain: Wie beurteilen Sie z.B. die Aktie von Adler Modemärkte?

Beim Adler-Mode-Stammsitz in Haibach war ich vor einiger Zeit zu einer persönlichen Werksbesichtigung. Der Vorstandsvorsitzende Lothar Schäfer hat sich mehr als eine Stunde Zeit genommen, mir alles persönlich zu erläutern. Birgit Schrowange war leider nicht gerade da. Inzwischen hält Modekonzern Steilmann-Boecker eine Mehrheit an Adler, d.h. unsere Adler Mode ist nicht mehr direkt fränkisch, sondern Ruhrpott.

Ist RTL-Moderatorin Birgit Schrowange (Alter: 57) die passende Markenbotschafterin für Adler Mode?

Aber ja! Zum einen sieht Frau Schrowange aus wie Ende 30 – und womöglich auch noch für weitere ein bis zwei Jahrzehnte –, zum anderen ist sie fast genau wie der durchschnittliche Adler-Besucher: Sie treffen in Adler-Märkten zwar durchweg nur Senioren, aber fühlen tun sie sich alle wie 45. Solange Sharon Stone (57) oder Michelle Obama (51) nicht zufällig vakant werden, könnte ich mir keine bessere Markenträgerin als Birgit Schrowange vorstellen.

Sie hatten es schon erwähnt: Auch Adler-Großaktionär Steilmann notiert inzwischen an der Börse. Wie sehen Sie die Perspektiven hier?

Steilmann selbst ist seit Oktober aktiennotiert. Empfehlen würde ich jedoch eine der ausstehenden drei börsennotierten Steilmann-Anleihen, z.B. die Anleihe 2014/18 mit noch knapp 7% Rendite pro Jahr. Der Unterschied zur Aktie ist, dass bei Anleihen kurzfristige News weniger stark im Kurs gespiegelt werden.

Was ist Ihrer Meinung nach chancenreicher: ein Investment in Adler Modemärkte oder in Steilmann?

In der Theorie sollte beides nicht so weit auseinander liegen. So brachte auch Bayer vor kurzem seine Hightech-Kunststoffsparte Covestro an die Börse. Und Schaeffler debütierte Ende Oktober, bekannt als seinerzeitiger Übernehmer von Continental. Ich würde wie angedeutet eher eine der Steilmann-Anleihen in Erwägung ziehen. Aber das ist wie bei Mode auch eine Geschmacksfrage.

In Kahl am Main ist Singulus Technologies beheimatet. Wie beurteilen Sie den Spezialmaschinenbauer?

Die Singulus-Aktie notiert auf Allzeittief. Ich war persönlich auf den beiden Anleihegläubiger-Versammlungen im Oktober. Der Spezialmaschinenbauer aus Alzenau hatte 2012 eine recht teure 60 Mio. EUR schwere Unternehmensanleihe begeben, die ihm jetzt das Genick brechen könnte – doch die Aufrufe zur Restrukturierung scheiterten an notwendigen Mehrheiten für Beschlüsse. Denn das operative Geschäft ist praktisch nicht mehr existent, zumindest nicht sanierungsfähig. Angesichts der Beschlussunfähigkeit ist Singulus auch handlungsunfähig: Ich erwarte alles andere als gute News in den nächsten Monaten.

Das operative Geschäft des Lkw-Zulieferers SAF-Holland wird von Bessenbach aus gesteuert. Wie schätzen Sie die Perspektiven des SDax-Titels ein?

Auch SAF hat wie Singulus eine wechselhafte Geschichte hinter sich. Der Insolvenz entkam SAF in der Finanzkrise 2008/09 nur durch Forderungsverzichte seiner Gläubiger. Mithin, es hat gerade noch gereicht. Heute steht SAF wieder überaus erfolgreich da und hat ebenfalls eine börsennotierte Unternehmensanleihe 2012/18 mit einem Kupon von 7% ausstehend. Man sollte nie vergessen, dass das Automotive-Geschäft extrem zyklisch ist: Für Anleger ist das zuweilen zu nervenaufreibend.

In Großwallstadt sitzt u.a. Kontaktlinsenhersteller Ciba Vision, der zu Novartis gehört; der Aschaffenburger Lenkrad- und Airbaghersteller Petri ist im Besitz der japanischen Takata.

Immerhin zeigt es, dass unsere Untermain-Titel sogar außerhalb Deutschlands offenbar nicht unbeachtet bleiben. Infrastruktur und Lebensqualität in unserer Region sind ja auch nicht die schlechtesten – Unternehmen wie Privatpersonen profitieren davon gleichermaßen.

Was würden Sie Anlegern in Bezug auf Investments aktuell raten?

Jahreszeitlich ist die Wintersaison statistisch eine gute Zeit – besser als die Sommermonate. Aber nicht alles auf wenige Karten setzen, sondern Aktien und andere Anlageformen gut mischen zur Risikostreuung. Wer solide Dividendentitel mit sicheren Unternehmensanleihen mischt, dürfte eigentlich nur durch eine weltweite Finanzkrise wie 2008 nervös gemacht werden können.

Lieber Herr Bozicevic, vielen Dank für das interessante Gespräch.
Interview: Christiane Schmidt-Rüppel, Foto: Falko Bozicevic

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