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25 Jahre deutsche Einheit – viele Menschen wissen gar nicht mehr wie es damals war, in der DDR. Aus diesem Anlass haben wir eine Aschaffenburgerin interviewt, die in Dresden aufgewachsen ist. Gabriele Mielke (Jahrgang 1965) lebt seit 23 Jahren in Aschaffenburg, sie hat an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach Grafik-Design studiert und betreibt heute ein erfolgreiches Grafik-Büro in der Innenstadt.
Ich bin in einer Großstadt mit viel Grün in und um die Stadt aufgewachsen. Die Dresdener Heide erstreckt sich als naherholender Wald längs durch ganz Dresden. Das Elbufer, die Parkanlagen und sogar die damaligen Neubaublocks mit ihren Keller- und Dachbodenverbindungen boten viel Raum zum Spielen. Der Fahrstuhl war das Fortbewegungsmittel der Verfolgungsjagten. Es fuhren kaum Autos, die Eltern arbeiteten beide und kamen abends nach Hause. Sehr beengte Wohnverhältnisse bescherten den Kindern in meinem Viertel die Straßensozialisation. Dafür, dass fast jeder Spielkamerad Einzelkind war, empfanden wir das nicht als die schlechteste Lösung. Es herrschte Frieden im kalten Krieg, Bildungsmöglichkeiten für Frauen und besondere Förderung für Arbeiterkinder. Allerdings biss sich spätesten in der zweiten Generation nach Gründung der DDR die Katze in den eigenen Schwanz. Ich selbst habe nach der 10. Klasse in Freital eine Ausbildung zur Porzellangestalterin gemacht. Parallel dazu die 11. und 12. Klasse an der Volkshochschule in Freital besucht.
Vermissen kann man erst etwas, was man kennen gelernt hat. Die Sehnsucht nach dem Unbekannten hat mich getrieben. Zu wissen, wie meine nächsten 25 Jahre aussahen, empfand ich als furchtbar. Ein vorprogrammiertes Leben nach Soll und Plan. Ich wollte auf jeden Fall künstlerisch tätig sein. Positiv war, dass man in der Schule von Anfang an sehr gefördert wurde, wenn Talente entdeckt wurden. So durfte ich mit 14 Jahren die Kunstakademie in Dresden als Abendschülerin besuchen.
Ja, sehr, ohne zu ahnen, dass man dazu Geld braucht. Es ging damals aber auch ohne. Ich bin mit Mitfahrerzentrale nach Paris, Hamburg und München gefahren. Meine erste große Reise gab es in der Hochschule für Gestaltung nach Italien als Studienreise: eine Woche Toskana.
Ich habe mit 18 Jahren einen Ausreiseantrag gestellt. 1984 kam ich dann 19jährig nach Frankfurt am Main. Dort habe ich sechs Wochen bei meiner Tante verbracht. Dann bekam ich einen Studienplatz in Offenbach und habe vom Bafög (elternunabhängig) und Jobs gelebt.
Ich weiß noch, dass sich sämtliche Mitstudenten und Professoren damals mit mir gefreut haben. Es war eine große Freude für Jung und Alt. Und ich durfte endlich mal wieder nach Dresden, in meine Heimat. Das Einleben in einer fremden Stadt war anfangs sehr schwierig für mich, ich war ohne Telefon, Fernseher und Radio und habe mich ziemlich einsam gefühlt. Dazu kommt noch, dass es im Osten und Westen unterschiedliche Interpretationen für gleiche Worte gab, was zu Schwierigkeiten führen konnte. Auch mein Wissen der Gegenwart in den Bereichen Soziologie, Philosophie Kunst und Geographie war damals eher recht begrenzt. Die Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte hat während meines Studiums eine völlig andere Dimension bekommen. In der DDR wurde eine sehr einseitige Sichtweise der Kriegsvergangenheit vermittelt. Dennoch war in meiner Kindheit und Jugend dieses Thema ganz präsent.
Ich bin jetzt seit 31 Jahren aus Dresden weg. Seit 23 Jahren lebe ich in Aschaffenburg. Wenn man sich in der Stadt auskennt, Freunde hat und einen Lieblingsbäcker oder ähnliches kennt, ist die Stadt Heimat geworden.
Ich fahre selten nach Dresden. Es ist doch eine ziemlich große Entfernung. Ich habe noch Freunde und Klassenkameraden dort. Dresden hat sich sehr verändert .Es ist eine wirklich eine tolle, schöne und junge Stadt die sehr lebendig geworden ist.
Ich vermisse die Orte meiner Kindheit, weil sich Dresden so verändert hat. Allerdings zum Besseren. Gaslaternen sind romantisch, aber nicht praktisch. Das Blockeis, das vom Eismann gebracht wurde, um im Keller in einer Wanne als Kühlschrank zu dienen, war für Kinder ein Fest auf der Straße. Barfuß sind wir mit den abgesplitterten Eisstücken auf dem Kopfsteinpflaster geschlittert. Meine Eltern und Großeltern hatten ein beschwerlicheres Leben ohne Waschmaschine, Kühlschrank und Badewanne. Dafür eine 48 Stundenarbeitswoche plus Haushalt.
Sehr viele Eindrücke auf einmal. Das Gras war grüner. Das ist kein Witz. Ich weiß nicht, ob es mit dem Klima im Rhein Main Gebiet oder der Rasenpflege zu tun hatte. Ich hab dem Goethe seine grüne Soße probiert und war sofort begeistert, seitdem ist sie nicht nur Goethes, sondern auch mein Leibgericht. Und die Sprache war schwierig. Ich hab die Leute nicht verstanden. Inhaltlich fehlten mir Kenntnisse und die vielen Dialekte machten es auch nicht einfacher.
Ja klar, und wir fanden es Klasse. Es gab Geschenke und ein großes Fest. Man wurde mit 14 Jahren in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen. Die Lehrer mussten jetzt „Sie“ sagen und man bekam einen Personalausweis.
Es muss ab und zu Bananen gegeben haben, sonst hätten die Leute diese ja nicht vermisst. Kiwi, Broccoli, Zucchini, Mango habe ich nicht vermisst, weil ich es nicht kannte. Dafür gab es in meiner frühen Kindheit sehr billig Kaviar, bis entdeckt wurde, dass sich diese Fischeier besser und teurer in andere Teile Europas verkaufen lassen.
Liebe Frau Mielke, vielen Dank für das interessante Interview.
Interview: Christiane Schmidt-Rüppel // Foto: Gabriele Mielke