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Das Meer nimmt, das Meer gibt - oder wie ich nach neun Jahren meine Brille wiederfand

Ich weiß noch genau wie es passiert ist. Sommerurlaub 2007 in Callantsoog, am Meer in Nordholland. Es war an einem warmen Tag, aber es wehte der Wind, so dass die Wellen schon ein wenig gingen. Wir lagen am Strand und am Nachmittag entschloss ich mich, doch einmal ins Wasser gehen. Meine Brille, eine ziemlich teure, beim heimischen Optiker in Aschaffenburg gekaufte Titan-Flex behielt ich zwecks guter Sicht auf. Zum besseren Verständnis: eine Titan-Flex ist eine Brille, die besonders biegsam ist und die fast alles übersteht. Ich ging also ins Wasser, stellte mich mit dem Rücken zu den Wellen, die an diesem Tag besonders hoch waren. Schwubdiwupp war es passiert: Meine Brille wurde von einer heftigen Welle weg gerissen. Danach und auch noch einmal am Abend haben wir den Strand nach der Brille abgesucht. Auch beim Fundbüro haben wir damals nachgefragt. Nichts zu machen. Das Meer ist anscheinend stärker als eine Titan-Flex. Ich glaubte, meine Brille ist für immer in der Nordsee verloren.


Meine Brille im Museum

Was für ein Zufall

Dieses Jahr über Pfingsten verbrachten wir wieder einmal ein paar Tage in Callantsoog. Und zufällig, wir hatten das eigentlich nicht geplant, entschlossen wir uns, den zentral am Dorfplatz gelegenen Museumsbauernhof „Tante Jaantje“ zu besuchen. Dieser hatte nämlich, weil Feiertag war, Pfingstmontag am Nachmittag geöffnet. Wir erfuhren wie arm die Leute hier früher waren, dass die Familie hier mit 15 Kindern gelebt hatte und dass Mist vom Menschen der beste Dünger ist. Passend zu Calantshoog war auch an einer Wand aufgereiht „WAT DE ZEE GEEFT“, was das Meer für Strandgut wieder ans Ufer bringt. Man glaubt kaum, was das Meer über die Jahre so alles anspült. Von Fahrrädern bis Kochtöpfen über Spielsachen und Brillen … Ach ja, die Brillen schauten wir uns etwas genauer an und da erkannte ich sie, meine alte Titan-Flex-Brille, die mir eine Welle vor neun Jahren entrissen hat. Ein bisschen mitgenommen sah sie aus, leicht verbogen, aber kein Zweifel, sie war es.


Strandgut - WAT DE ZEE GEEFT

Sie passt noch

Was tun? Der ältere Herr, der das Museum betreute, erläuterte gerade einigen Besuchern wie es früher war und wie Mensch und Tier in dem Bauernhof eng zusammen wohnten. Als er wieder frei war, sagte ich ihm, dass meine Brille unter dem Strandgut sei und fragte: „Kann ich sie einmal weg nehmen und ausprobieren.“ Ich durfte. Und ich habe die Brille aus dem Meer aufgesetzt und sie hat noch gepasst. Ich konnte sogar noch einigermaßen mit der Brille sehen, meine Sehstärke hat sich ja seitdem kaum verändert, nur waren die Gläser durch das Meerwasser nicht mehr klar, sondern ein wenig trübe. Die alte Brille aus dem Meer sah übrigens fast aus wie meine neue, die ich zurzeit trage.


Die Nordsee in Callantsoog

Inzwischen hatte ich ja fast vergessen, dass ich damals die Brille im Meer verloren hatte. Umso größer war meine Überraschung. Wahrscheinlich werde ich die Brille oder ihr Gestell auch nicht mehr nutzen, aber die Brille aus dem Meer ist zumindest ein schönes Andenken. Daher habe ich dann den freundlichen Museumsleiter gefragt, ob ich meine Brille wieder mitnehmen könne. Er musste mit seinem Handy noch mehrmals telefonieren, um die Sache abzuklären. Dann sagte er: „Sie können die Brille gerne mitnehmen, wir würden uns aber über einen Eintrag in unser Gästebuch mit der Geschichte freuen.“

Eintrag im Gästebuch

Das habe ich natürlich gerne gemacht und meine Überraschung Kund getan, die Brille, die ich im Meer verloren hatte, im Museum wiederzufinden. Ob der Freundlichkeit haben wir noch einen kleinen Geldbetrag für das Museum gespendet. Und als wir aus dem Museum hinausgingen, hatte ich große Aufmerksamkeit. „Sind Sie der Mann, der seine Brille aus dem Meer wiedergefunden hat?“, wurde ich gefragt. Und ich erzählte meine Geschichte, die mehrere Holländer unglaublich fanden.


Eintrag ins Gästebuch

Falls Sie nun in Nordholland Urlaub machen, besuchen Sie doch einmal den Museums-Bauernhof „Tante Jaantje“ in Callantsoog. Es lohnt sich, Sie erfahren viel über das karge Leben der Bevölkerung in Nordholland vor dem Industriezeitalter. Und schauen Sie einmal im Eingangsbereich bei „WAT DE ZEE GEEFT“. Hier gibt es vieles zu entdecken und vielleicht finden Sie auch etwas wieder, was Sie in der Nordsee verloren haben. So wie ich meine Brille.
– Werner Rüppel –


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