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Ein Klassiker für Heimatfreunde: „Anton Hirsch: Mundarten im Spessart“

Durch den Spessart verläuft eine starke Sprachgrenze – Am Untermain sagen wir „Appel“ und sprechen rheinfränkisch-hessisch. Nicht jeder, so auch nicht wortgewandte Kabarettisten wie Urban Priol, versteht diesen Dialekt aus dem Herzen des Spessarts. Und die Frammersbacher sind sich durchaus um die Andersartigkeit ihrer Sprache im Vergleich zu den Nachbarorten oder zu der Sprache der Städter aus Ascheberg oder Würzburg bewusst. Viele Frammersbacher haben auch eine Begründung dafür: Es liegt an den Frammersbacher Fuhrleuten, die mit ihren großen Gespännen vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert Waren auf den Wegen von Nürnberg bis nach Antwerpen transportierten. Die Fuhrleute brachten dann viele ausländische Wörter mit nach Frammersbach, die schließlich zur Besonderheit des Dialekts führten. Schließlich sagt man in diesem Spessartdort auch „Fire“ (hochdeutsch: Feuer), wenn es „bört“ (hochdeutsch brennt). So gab es dort direkt nach dem Zweiten Weltkrieg unter US-Besatzung auch keine Verständigungsprobleme mit den Amerikanern als es tatsächlich einmal in Frammersbach gebrannt hat.

Befragungen in 51 Orten

Im Rahmen seiner Dissertation hat Anton Hirsch die Mundarten im Spessart wissenschaftlich untersucht. Dabei hat er u.a. im Herbst 1953 und Frühjahr 1954 in 51 Orten des Spessarts jeweils in der Regel fünf bis sechs Kinder der obersten Volksschulklassen zu deren Mundart befragt. Als volkstümliche Textfassung sind dann die „Mundarten im Spessart – Dialektographische Studien über den Aufbau einer Mundartbarriere“ 1971 in den Veröffentlichungen des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg e.V. erschienen. Das rund 200 Seiten lange Buch, das rund 30 Lautkarten umfasst, ist inzwischen ein echter Klassiker für Heimatfreunde. Denn Hirsch stellt nicht nur die mitten durch den Spessart verlaufende starke Sprachgrenze (Sprachgrenze 1. Grad) zwischen rheinfränkisch-hessisch und mainfränkisch-ostfränkisch dar. Er zeigt auch die sprachlichen Besonderheiten vieler Spessartdörfer auf, die vor allem in der Grenzregion zu beobachten sind. Wer sich für unseren Dialekt, hier im Spessart und am bayerischen Untermain interessiert, für den ist die Lektüre des „Hirschs“ ein Muss.

Wir sprechen hessisch

Wie Anton Hirsch in der Einleitung seiner Untersuchung berichtet, verläuft durch den Spessart die so genannte „appel-apfel-Linie“. Denn am Waldkomplex des Spessarts lief sich die Neuerung der althochdeutschen Lautverschiebung fest. Am Untermain und im westlichen Spessart babbeln wir rheinfränkisch-hessisch und sagen „Appel“. oder „Äppelsche“. Im östlichen Spessart plaudern sie mainfränkisch-ostfränkisch mit „Apfel“ und „Äpfele“. In Aschaffenburg gibt es „Mädschen“ und in Würzburg „Mädle“.

Aufgrund der starken Sprachgrenze, die mitten durch den Spessart verläuft, gibt es mitunter enorme Sprachunterschiede zwischen benachbarten Orten. So sprechen zum Beispiel die mainfränkisch geprägten Löhrer Mopper ganz anders als die benachbarten Partensteiner und Frammersbacher, die noch zum rheinfränkisch-hessischen Sprachraum zählen. Die Untersuchung von Hirsch ist geradezu herausragend, weil sie basierend auf der genannten Umfrage unter Schülern die Unterschiede in den Dialekten der einzelnen Orte genau aufzeigt, dabei auch anschauliche Lautkarten verwendet und auch Erklärungen für die unterschiedlichen Dialekte liefert.

Naturschranken bestimmen Sprache mit

Zum Beispiel sind sich die 7 Kilometer entfernten Dörfer Partenstein und Rechtenbach in etwa „sprachlich so fern“ wie die 73 Kilometer entfernten Städte Aschaffenburg und Würzburg. Dies liegt vor allem an der Lage der Dörfer direkt an der sprachlichen Hauptgrenze.

Die dialektalen Unterschiede im Spessart lassen sich laut Hirsch zwar erwartungsgemäß mit territorialen Grenzziehungen begründen, die, wenn sie zugleich Konfessionsgrenzen sind, noch stärker wirken. Doch kommen gerade im Mittelgebirge Spessart Naturschranken als Gründe zum Beispiel für Mundartbarrieren hinzu. So schreibt Anton Hirsch: „Daneben aber mussten wir mit Nachdruck auch auf den Einfluss von Naturschranken, wenn sie an Stärke einen gewissen Schwellenwert überschreiten, hinweisen. Das betraf vor allem größere Strecken unwegsamen Waldes.“


Unser Spessart – auch eine Sprachgrenze

Dannebibber und Donnewürschd

Einzigartige historische Dokumente sind die 30 Lautkarten des Buches, welche die dialektalen Synonyme für bestimmte Wörter in den einzelnen Ortschaften aufzeigen. Heimatfreunden macht deren Lektüre großen Spaß! Zum Beispiel ist die Patin in Frammersbach die „Gödda“, in Wiesthal und Heigenbrücken das „Gödche“, in Rechtenbach aber die „Doda“ und in Marktheidenfeld die „Doudi“.

Besonders interessant sind die dialektalen Bezeichnungen für Tannenzapfen. In Frammersbach sind es die „Dannebibber“, in Habichtsthal der „Dannemops“, in Rothenbuch die „Donnewürschd“ oder die „Donnegiggel“ und in Hessenthal die „Dannemuggel“.

Starker Dialekt in Frammersbach

Doch was ist jetzt mit Frammersbach, wo sich in der Tat ein besonders und mitunter als sonderlich empfundener Dialekt manifestiert hat? „Von den ständigen Fahrten der Frammersbacher Fuhrleute findet sich kein Nachweis in der Mundart“, stellt Anton Hirsch fest. Vielmehr dürfte laut dem Sprachwissenschaftler die abgeschiedene Lage des Ortes im Spessart sowie die „bescheidene Zentralstellung“ Frammersbachs im Lohrtal zu einem starken Dialekt geführt haben, der auch noch altertümliche Formen wie „Herrle“ für Opa und „Fräle“ für Oma zumindest passiv bewahrt hat. Inzwischen mögen sich die Zeiten geändert haben, zumindest bei Erscheinen seiner Mundarten im Spessart im Jahr 1971 stellte Hirsch fest: „Aufs Ganze gesehen erweist sich aber Frammersbach auch heute noch als sehr altartig. Vielleicht darf gar gesagt werden, dass dieser Spessartdialekt dem Stand des 16. Jahrhunderts noch am nächsten ist.“ (Text + Fotos: Christiane Schmidt-Rüppel)


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