

Im Interview mit Rene Riech von der DLRG Aschaffenburg: Über Schwimmausbildung, der Rückgang von Schwimmbädern und deren Folgen
In den letzten Jahren beobachten wir eine besorgniserregende Entwicklung: Schwimmbäder schließen immer häufiger, und auch die finanziellen Mittel für den Betrieb öffentlicher Einrichtungen sind in vielen Städten und Gemeinden stark eingeschränkt. Dies hat direkte Auswirkungen auf die Schwimmausbildung, die insbesondere in der Verantwortung von Vereinen wie der DLRG liegt. Gerade die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft hat sich seit jeher der Schwimm- und Rettungsausbildung von Kindern und Jugendlichen verschrieben. Doch mit der zunehmenden Schließung von Schwimmbädern schrumpft auch das Angebot für die notwendige Schwimmausbildung. Im Gespräch mit René Riech, Vorstand der DLRG Aschaffenburg, möchten wir erörtern, wie diese Entwicklungen die Arbeit der DLRG beeinflussen und welche konkreten Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Schwimmfähigkeit der nächsten Generation zu sichern.

v.l.n.r.: Alexander Weise (Ausbilder), Jürgen Weidner (Ausbilder), René Riech (Ausbilder), Jasmin Kramer (Rettungsschwimmerin), Sophia Olta und Arthur Haas
Wie beurteilen Sie die Situation der Schwimmausbildung in Deutschland?
Die Schwimmausbildung gestaltet sich leider zunehmend schwierig. Zum einen steht immer weniger Wasserfläche zur Verfügung. Schwimmbäder schließen oder stehen vor der Schließung. Derzeit geht man davon aus, dass in den nächsten Jahren jedes 6. Bad von einer Schließung bedroht ist, sodass in den nächsten drei Jahren möglicherweise 800 Bäder vor dem Aus stehen. So haben derzeit circa 25% der Grundschulen keinen Zugang zu Wasserflächen. Zum anderen stehen weniger Schwimmausbilder und -innen einem steigenden Bedarf gegenüber. Wir als DLRG verzeichnen seit Jahren steigende Mitgliederzahlen und haben derzeit rund 50.000 mehr Mitglieder als vor der Pandemie. Um der großen Nachfrage auch weiterhin gerecht zu werden, versuchen auch wir jugendlichen Nachwuchs, Quereinsteiger und ausgebildete Schwimmausbilder/innen dazu zu bewegen sich zu engagieren oder wieder einzusteigen.
Wie stark ist die DLRG vor der Schließung öffentlicher Schwimmbäder betroffen?
Wie auch in anderen Teilen Deutschlands ist auch in Aschaffenburg die Schwimmbadsituation schwierig. Die vorhandenen Wasserflächen reichen nicht, um den Bedarf zu decken. Hinzu kommt, dass ein großer Teil dieser Wasserflächen in Form von Lehrschwimmbecken in mehreren Aschaffenburger Schulen verteilt ist, die aufgrund ihres Alters oder unvollständiger Sanierungen, zum Teil schon seit einigen Jahren bzw. immer mal wieder über einen längeren Zeitraum geschlossen sind. Das macht sich auch bei uns bemerkbar, sodass wir immer mal wieder einen Teil der Schwimmausbildung für Wochen und Monate aussetzen müssen.
Die Schwimmausbildung bei uns findet in unterschiedlichen Schwimmstätten zum Großteil in den weniger frequentierten Randzeiten statt. Somit ist es uns möglich, immer mal ein wenig zu schieben. Ein großer Dank gilt hierbei den Mitarbeitern der Stadt, wie bspw. dem Sportamt, die uns nach besten Möglichkeiten unterstützen, um die Schwimmausbildung irgendwie aufrecht zu halten und freie Lücken zu finden, in die wir in diesen Fällen übergangsweise die Schwimmausbildung verlagern können. Das verlangt allen unseren Ausbildern, aber auch den Eltern und Kindern bei der DLRG Aschaffenburg streckenweise einiges an Flexibilität ab.

Die DLRG beurkundete im Jahr 2024 57.601 Seepferdchen als Vorbereitung auf die Ausbildung zum Sicheren Schwimmer (Freischwimmer). // Foto: © DLRG
Gibt es außerhalb unserer Region Städte, die noch besonders oder noch schlimmer betroffen sind?
Auch in den umliegenden Landkreisen Aschaffenburg und Miltenberg ist die Lage angespannt. Es gibt auch dort weniger Kapazitäten als Bedarf. Freie Kapazitäten sind meist nur noch in den Randzeiten spät am Abend zu finden. Auch wird der Schwimmbetrieb in den Wintermonaten häufiger reduziert, da dieser mit Freiwasserangeboten in den Sommermonaten ergänzt wird, wenn die Wetterlage es zulässt.
Was bedeutet der Rückgang an Schwimmbädern konkret für die Schwimmfähigkeit von Kindern und Jugendlichen?
Im letzten Jahr hat die DLRG rund 95.000 Schwimmabzeichen abgenommen. Das ist ein Rekordwert der letzten 10 Jahre. Gleichzeitig liegt der Anteil an unsicheren Schwimmern in der Altersgruppe der 6-11-Jährigen relativ stabil bei mindestens 20%. Die Fähigkeiten für sicheres Schwimmen erlernen die Kinder mit dem Bronzeabzeichen, auch bekannt als Freischwimmer. Da mittlerweile 2 von 3 Bädern als nennenswert oder dringend sanierungsbedürftig angesehen werden, dürfte sich dieser Trend jedoch nur schwer halten lassen. Dieser Sanierungsrückstand ist der höchste unter den Sportstätten. Wenn dieser Rückstand nicht aufgeholt wird, könnten bis zu 700 Schwimmbäder in den kommenden 3 Jahren schließen, die dann als Ausbildungs- und Übungsfläche für die Kinder und Jugendlichen fehlen, um sich die notwendigen Schwimmfähigkeiten aneignen zu können.
Welche langfristigen Folgen erwarten Sie, wenn sich die aktuelle Entwicklung fortsetzt?
Schwimmen zu lernen gehört zu den bewegungsrelevanten Erfahrungen. Diese sind für Kinder noch deutlich leichter zu lernen als für Erwachsene. Daher ist davon auszugehen, dass aus unsicher schwimmenden Kindern unsicher schwimmende Erwachsene werden. Gleichzeitig könnte die Zahl der Rettungsschwimmer sinken, da diese oft aufgrund ihrer langjährigen Vereinserfahrung zu ehrenamtlichen Helfern werden. Fehlen Möglichkeiten für solche langfristigen Erfahrungen, kann weniger Nachwuchs gefördert und für den Rettungsdienst begeistert werden. Weniger Nachwuchs im Wasserrettungsdienst zieht weniger bewachte Wasserflächen nach sich.
Es steht also zu befürchten, dass langfristig eine sinkende Zahl an Rettungsschwimmern, einer steigenden Zahl an unsicheren Schwimmern gegenübersteht. Ein Ansteigen von Notfällen mit schwerwiegenden Konsequenzen dürfte damit wahrscheinlicher werden.
Gibt es Unterschiede im Zugang zur Schwimmausbildung je nach sozialem oder regionalem Hintergrund?
Nein, das sehen wir nicht. Wir haben Kinder und Jugendliche aus verschiedenen sozialen und regionalen Hintergründen. Wichtig ist aber, dass die Eltern voll hinter ihren Kindern stehen und sie dabei unterstützen. Dazu gehört auch, dass Eltern mit ihren Kindern in ihrer Freizeit schwimmen gehen und sie animieren, das gelernte anzuwenden und gemeinsam mit den Kindern die Baderegeln lernen.

Die Wassergewöhnung und die Ausbildung der Grundfertigkeiten bilden die Basis der Schwimmausbildung. // Foto: © DLRG
Wie geht die DLRG mit den immer knapper werdenden Wasserzeiten um?
Knapper werdende Wasserzeiten lassen sich nicht ersetzen. Die Vergrößerung von Gruppen ist kaum möglich. Die Flächen werden nicht größer, die Sicherheit der Kinder ließe sich mit größeren Gruppen schwieriger gewährleisten Darüber hinaus würde die Qualität der Ausbildung leiden. Da hilft nur flexibel den Mangel verwalten und das Beste möglich zu machen.
Welche Alternativen oder kreativen Lösungen versucht der Verein bereits umzusetzen?
Kreative Lösungen oder Alternativen sind nur bedingt möglich. Freiwassertraining mit Anfängern ist auch an heißen Sommertagen schwierig. Anders als beim Spielen und Toben, bei dem Kinder aufgrund der vielen Bewegung deutlich mehr Zeit im Wasser verbringen können, heißt Schwimmen lernen konzentriert ruhige Bewegungen zu machen. Dadurch kühlen sie auch in Neoprenanzügen schneller aus.
Konzepte, wie die mobilen Schwimmbadcontainer oder Übungseinheiten und Spiele, die Eltern mit ihren Kindern außerhalb des Wassers durchführen können, wurden ebenfalls entwickelt. Allerdings sind die Schwimmbadcontainer nur behelfsmäßig nutzbar, um gänzlich unerfahrene Kinder ans Wasser zu gewöhnen und erste Wassererfahrung zu sammeln. Für die Schwimmausbildung, erst recht, um Sicherheit im Wasser zu bekommen, sind sie ungeeignet. Auch die Übungen, die Eltern mit ihren Kindern an Land durchführen können, sind zwar eine Möglichkeit Bewegungsmuster einzuüben, die Übung im Wasser mit deutlich anderen physikalischen Eigenschaften lässt sich dadurch nicht ersetzen.
Wie hoch ist aktuell die Nachfrage nach Schwimmkursen im Vergleich zum verfügbaren Angebot bzw. die Wartezeit?
Die Nachfrage nach Lernangeboten ist ungebrochen groß. Die Wartezeit auf einen Platz in einer Schwimmgruppe liegt in der Regel bei 1 bis 2 Jahren. Bei uns in Aschaffenburg ist gerade die Warteliste für die Anfänger Seepferdchen und Bronze immer gut gefüllt. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die durchschnittliche Zeit, die ein Kind benötigt, um sicher schwimmen zu können, in den letzten Jahren deutlich erhöht hat. Zu den bekannten Kapazitätsproblemen kommt also noch ein erhöhter zeitlicher Bedarf.
Was müsste aus Ihrer Sicht auf politischer Ebene geschehen, um die Situation zu verbessern?
Der Betrieb von Schwimmbädern kostet sehr viel Geld und ist in der Regel mit Eintrittsgeldern allein nicht zu decken. Aus Sicht der Kommunen sind dies zudem freiwillige Leistungen, an denen bei einem knappen Haushalt zuerst gespart wird. Jedoch sollte auf politischer Ebene die Bereitstellung von ausbildungsgerechten Wasserflächen nicht als freiwilliges Zusatzangebot verstanden werden, sondern als Kulturgut, zu dem sie sich verpflichten. Dafür ist ein Bäderbedarfsplan nötig, bei dem sich Kommunen, Länder und der Bund um eine gemeinsame Planung kümmern, sodass jeder Grundschule im Umkreis von 15 Minuten ein ausbildungsgeeignetes Bad zur Verfügung steht. Sanierungsmaßnahmen sollten nicht aufgeschoben werden, da jede verschleppte Sanierungsmaßnahme zu höheren Folgekosten führt. Damit steigt auch das Risiko, dass Schwimmbäder eher geschlossen werden als sie zu sanieren.
Herr Riech, vielen Dank für das interessante Gespräch!
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